Die Barock- und Rokoko - Zierelemente des Papierrahmens sind Synonyme für das Umfeld, das mich, meine Kindheit und Jugendzeit geprägt hat.
Sie beinhalten für mich die kindliche Sehnsucht nach schwungvoller Leichtigkeit, praller Lebensfreude und Gemütlichkeit, Zärtlichkeit und Herzenswärme,
aber auch das Wissen um die Unbeständigkeit des Lebens und die Vergänglichkeit jeglichen Seins.
Nach Beendigung meines Studiums in Nürnberg werde ich nicht in die ursprüngliche Heimat meiner Kindheitstage zurückziehen.
Meine Kindheitserfahrungen, meine verborgenen und erfüllten Wünsche und Sehnsüchte, die verpaßten und gelebten Augenblicke, die liebgewordenen und geliebten Dinge und Menschen lassen sich nicht ohne weiteres in die neue Heimat bringen oder transferieren.
Sie werden zu Vergangenheit, müssen Erinnerung bleiben.
Eine gewisse Trauer ist da.
Deshalb ist der "Reisekoffer" nicht ein Koffer im herkömmlichen Sinn. In ihm befinden sich nicht die üblichen Utensilien, wie Zahnbürste, Waschzeug, Hemd und Hose, etc., sondern Papier-Fragmente.
Der "Reisekoffer" ist Sarg. Der zum Sperrgut gewordene "Rahmen", das bisherige Umfeld kann nicht verpflanzt werden.
Übrig bleiben bruchstückhaft Erinnerungsfetzen, Fragmente der Vergangenheit, verkohlte und verstümmelte Reste des vergänglichen Lebens.

"REISEKOFFER"

Zerstörung des Papierrahmens der Aktion "Fenster - Fassade - Face" / Salzburg 1992 auf dem Gelände der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg am 18. Juni 1996
Fotodokumentation: Christian Rudolph

 

Der "Reisekoffer" als Sarg.

" Die Arbeit "Reisekoffer" bezieht sich auf das Thema "Übergänge" am Beispiel der ganz persönlichen Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen. "Alles fließt" wird zur Grunderkenntnis. Die Einwilligung in den Kreislauf des Lebens ist überlebensnotwendig. Verlust und Abschied müssen eingeschlossen werden, denn ohne sie wäre ein Fortschreiten von einem Lebensabschnitt zum nächsten nicht möglich.

"So wie ich mich ständig verändere, so verändert sich auch das Objekt meiner künstlerischen Arbeit." (F.R.)

 

Der "Reisekoffer" stellt ein Zwischenstadium dar innerhalb eines "work in progress". Am Anfang stand die Papierabformung einer von barocken Stuckformen geprägten Fensterumrahmung. Sie wurde bei der Aktion "Fenster - Fassade - Face" / Salzburger Innenstadt 1992 dazu genutzt, die Reaktionen von Einheimischen und Touristen zu untersuchen, die unvermittelt mit dem Kunst-Rahmen konfrontiert wurden. Im Laufe der seither vergangenen Jahre entwickelte sich der Rahmen immer mehr zum "Synonym für das Umfeld, das mich, meine Kindheit und Jugend geprägt hat" (vgl. F.R. 1996).

 

Schließlich zerstörte am 18. Juni 1996 die Künstlerin in einer Aktion in der Nürnberger Akademie das Papierfenster. Zuerst überzog sie den Rahmen mit einem gitterartigen Raster, indem sie schwarzes Grafikerband als Markierung aufklebte. Dann trennte sie Feld für Feld von unten nach oben hin mit dem Cutter ab. Die Einzelteile blieben zunächst lose am Boden liegen und bildeten ein fragmentarisches Skelett. Am Ende der Aktion wurden alle Teile zur Aufbewahrung in einen alten Reisekoffer geschichtet und der Deckel geschlossen. Während der Ausstellung "Übergänge" wird der Koffer mit den "Fragmenten der Erinnerung" offen präsentiert. In einer Aktion werden schließlich alle Fragmente verbrannt. Das Thema Tod (als Zerstörung der materiellen Existenz) wird in das Thema Lebenskreislauf integriert. Beides sind "Übergänge". " (Günter Braunsberg, MA, Ausstellungskatalog "Übergänge", S. 114 f.)

 

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