"HÜLLEN"

Aktion und Installation zum Kunstprojekt "Übergänge" auf dem Friedhof von St. Johannis, Nürnberg im August - November 1996
Fotos: Gerd Dollhopf

MASSIV HOHL
VOLL LEER
SCHWER LEICHT
STEIN PAPIER
UNVERGÄNGLICH VERGÄNGLICH
LIEGEN SCHWEBEN
ERDE LUFT
VERBUNDEN GELÖST
TOD LEBEN

Abformung vor Ort

Das Projekt für den St. Johannisfriedhof vereinte die Aspekte der Aktion und der Präsentation.

Die Aktion bestand darin, daß von August bis September 1996 Papierabdrücke ausgewählter Steinsarkophage hergestellt wurden. Dies geschah vor Ort als sichtbarer und nachvollziehbarer Arbeits- und Entstehungsprozeß. Während dieser Aktion vor Ort ging es auch darum, mit den Menschen, die auf dem Friedhof waren, zu kommunizieren. Andererseits entstanden Papiersarkophage, die als Ausgangspunkt für die Präsentation während der Ausstellungszeit gedacht waren, und zwar in der Säulenhalle neben der Aussegnungshalle.

Dort sind längs in zwei Reihen hintereinander liegend Steinplatten angeordnet, die allerdings nicht so auffallend eng nebeneinander stehen, wie auf dem übrigen Friedhofsgelände. Optisch steht jeweils ein Steinsarkophag in einem Spitzbogenfeld zwischen den Pfeilern des Säulengangs. An manchen Stellen fehlt die schwere Steinplatte und ist durch eine im Boden oder an der Wand befestigte Gedenkplatte ersetzt.

Schwebende Hüllen

Über diesen Fehlstellen sollten jeweils Papiersarkophage plaziert werden. Die endgültige Form der Präsentation, die Hängung mit durchsichtigen Nylonfäden von der Decke in Augenhöhe des Betrachters, wurde erst kurz vor der Ausstellung festgelegt. Sie war von den Erfahrungen abhängig, die sich aus der Aktion entwickelt hatten. Die "Hüllen", also hohl und nach unten geöffnet, sollten gleichsam den Eindruck des Schwebens erwecken. Die Farbe des Papiers behielt die ursprüngliche Färbung des Zellstoffs, gebrochenes Weiß kontrastierend zu den dunklen Originalen in Stein, um die abstrakten Begrifflichkeiten "Hülle, Leere, Vanitas, Leichtigkeit, Schwerelosigkeit, Losgelöstsein, Leben" herauszuarbeiten.

"Die schwebenden Papiersarkophage setzen der niederdrückenden, endgültigen Schwere des Todes eine Hoffnung entgegen, die sich durch Leichtigkeit und Leben auszeichnet. Sie werden durch den Windhauch bewegt und zerfallen durch den Einfluß der Witterung im Laufe der Ausstellung. Dieser "Übergang" in einen neuen Zustand setzt eine Selbstverständlichkeit voraus, die klar macht, daß das "Alles fließt" der Weltgeschichte und der individuellen Existenz angenommen und positiv bewertet wird. Das Leben schließt den Tod ein - und umgekehrt." (Günter Braunsberg, MA, Ausstellungskatalog "Übergänge", S. 60 f.)

Zerschnittene und gebündelte Hüllen

Am Ausstellungsende hatten sich die nur einfach verleimten Papiersarkophage wider Erwarten unter den Witterungseinflüssen kaum verändert. Zum Abtransport wurden sie deshalb mit dem Cutter zerteilt und jeweils ähnlich den Bündeln für die Altpapiersammlung zu flachen handlichen Papierstößen geschnürt.

Der Gedanke des Kreislaufs wird erneut sinnfällig im Recyceln, angefangen im Akt des Papierschöpfens bis hin zur Rückführung und Wiederverwertung des Altpapiers.

Die Papierbündel "Hüllen" wurden anläßlich der Ausstellung "raus - Absolventen des Jahres 1996" in der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg im Februar 1997 nochmals gezeigt. Die Bündel waren zu einem Stapel aufgeschichtet und wurden im langsamen Wechsel mittels Diaprojektion mit einzelnen Sequenzen des Ausstellungsprojektes "Übergänge" angeleuchtet.

zurück zur Übersicht